An der Sekundarschule Nägelimoos hilft Ester Ami, DaZ-Lehrperson, Jugendlichen ohne Deutschkenntnisse beim Einstieg ins Schulleben. Im DaZ-Unterricht geht es nicht nur um Grammatik – sondern um Teilhabe, Vertrauen und Integration.
DaZ – das steht für „Deutsch als Zweitsprache“ und ist für viele Jugendliche der erste Ankerpunkt im Schweizer Schulalltag. An der Sekundarschule Nägelimoos begleitet Ester Ami aktuell 17 Schülerinnen und Schüler – flexibel je nach Stundenplan und individuellem Bedarf.
Gerade zu Beginn erhalten die Jugendlichen einen angepassten Stundenplan. Sie besuchen möglichst früh Fächer wie Sport und Mathematik in der Stammklasse und werden schrittweise integriert. Die erste Lernstandserhebung dient dazu, das schulische Niveau zu erfassen – nicht die Sprachkompetenz. „Niemand soll auf ein tieferes Niveau eingestuft werden, nur weil er die Sprache noch nicht beherrscht“, betont Ami.
Vom Verb zum Satz – vom Satz zum Text
Viele Jugendliche starten völlig ohne Deutschkenntnisse, auch beim Englischen gibt es grosse Unterschiede. Teilweise hilft Englisch bei der Verständigung – teilweise verdrängt es aber das Deutschlernen. Im Anfangsunterricht liegt der Fokus daher auf dem Wesentlichen: Verben im Präsens, einfache Satzstrukturen, Adverbiale wie „am Morgen“ oder „in der Schule“. So entstehen erste Sätze – später Texte. Die Jugendlichen werden so befähigt, möglichst schnell zu kommunizieren.
Der Unterricht ist individuell, lebendig und vielseitig: Sprachspiele, Vergleiche mit der Muttersprache, Materialien aus verschiedenen Fächern. Je nach Vorwissen wird spielerisch oder analytisch gearbeitet. Eine besondere Herausforderung: die Integration von KI-Hilfsmitteln. „Sie können nützlich sein – aber sie dürfen den Lernprozess nicht ersetzen“, sagt Ami. „Die Schülerinnen und Schüler sollen unterstützt werden, nicht entmündigt. Im späteren Leben wird ihnen keiner einen Text vereinfachen und somit die Vorarbeit abnehmen.“
Zwischen Integration und Sprachbarriere: «Chasch au schwiizerdütsch rede? »
Der DaZ-Unterricht leistet weit mehr als Sprachförderung – er ist ein zentraler Bestandteil der schulischen Integration. Doch die Realität ist komplex: Viele Jugendliche erleben Deutsch als „mühsame Fremdsprache“, weil ihre Umgebung fast ausschliesslich Schweizerdeutsch spricht. Gerade kommunikative Jugendliche sehen häufig wenig Sinn im Deutschlernen, sobald sie sich auf Schweizerdeutsch verständigen können. „Das erschwert den Spracherwerb enorm“, so Ami. Und dennoch: Mit Geduld, Struktur und Beziehungsgestaltung gelingt Integration.
Herausfordernd bleibt auch die Vielfalt sprachlicher Hintergründe: Manche Kinder beherrschen ihre Muttersprache sehr gut – andere können weder lesen noch schreiben oder bringen ein anderes Schriftsystem mit. Der Vergleich mit der Erstsprache kann helfen – ist aber keine Selbstverständlichkeit.
„Frau Ami, was heisst balancieren?“
Trotz aller Herausforderungen erlebt Ester Ami viele kleine und grosse Erfolge: Jugendliche, die nach einigen Monaten am regulären Unterricht teilnehmen, Freundschaften schliessen und sprachlich aufblühen. Für viele ist sie in der ersten Zeit eine wichtige Bezugsperson, was die Arbeit als DaZ-Lehrperson sehr besonders macht.
Und manchmal wird auch herzhaft gelacht. Etwa, als ein Schüler statt „balancieren“ das Wort „blanchieren“ schreibt – Autokorrektur sei Dank. „Wir lachen viel zusammen, und plötzlich ist da nicht nur ein Lerneffekt, sondern auch ein echtes Miteinander“, erzählt Ami lächelnd.